Jugendstrafrecht in Deutschland und Frankreich
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Vergleich und Wertung des französischen mit dem deutschen Jugendstrafrecht
1.1 Der persönliche Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts
1.2 Das jugendkriminalrechtliche Sanktionensystem
1.2.1 Die Jugendstrafe
1.2.2 Die Aussetzung der Jugendstrafe
2. Ergebnis des Rechtsvergleichs
1. Vergleich und Wertung des französischen mit dem deutschen Jugendstrafrecht
In diesem Kapitel wird das französische Jugendstrafrecht dem deutschen gegenübergestellt. Es wird anhand der wesentlichen Kriterien darzulegen sein und welche Ausgestaltung vorzugswürdig ist.
2.1 Der persönliche Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts
Am Anfang der Untersuchung wird der persönliche Anwendungsbereich des französischen jugendkriminalrechtlichen Sanktionensystems mit dem des deutschen verglichen und an diesen Vergleich eine Wertung angeschlossen. Ebenso wie die Ordonnance vom 2. Februar 1945 grenzt auch das deutsche JGG seinen persönlichen Anwendungsbereich nach Altersgruppen ab. Nach § 1 I JGG ist das Jugendstrafrecht auf Jugendliche und auf Heranwachsende anzuwenden. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist Jugendlicher, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist. Heranwachsender ist, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist. Das JGG kann demnach grundsätzlich auf vierzehn bis zwanzig Jahre alte Straftäter angewendet werden.
In § 19 StGB findet sich die klare Regelung, daß das unter vierzehn Jahre alte Kind schuldunfähig ist. Es handelt sich hierbei nicht um eine aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern vielmehr um eine aus dem gesellschaftlichen Leben abgeleitete Altersgrenze. Historisch gesehen hängt sie sicherlich damit zusammen, daß früher in diesem Alter die achtjährige Schulpflicht absolviert war und normalerweise die Berufsausbildung begann, in diesen Zeitpunkt fiel auch die Konfirmation. Dies geht bereits aus der Begründung für die Erhöhung der Strafunmündigkeitsgrenze von zwölf auf vierzehn Jahre, wie sie erstmals in dem Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1909 vorgesehen war, hervor: In Deutschland scheidet wegen § 19 StGB die Anwendung des Rechtsfolgenkatalogs des JGG gegenüber Kindern unter vierzehn Jahren aus. Die Schuldunfähigkeit stellt hierbei im formellen Sinne ein Prozeßhindernis dar.
2. Ergebnis des Rechtsvergleichs
Die aus dem Rechtsvergleich für ein zukünftiges JGG resultierenden Konsequenzen werden an dieser Stelle abschließend thesenartig zusammengefaßt:
1. Die Vorschrift des § 3 JGG ist anders als in Frankreich, welches keine Regelung zur bedingten Strafmündigkeit von Jugendlichen enthält, beizubehalten.
2. An der Schuldunfähigkeitsgrenze des § 19 StGB ist festzuhalten. Die fehlende Schuldunfähigkeitsgrenze des französischen ist für das deutsche Jugendstrafrecht abzulehnen.
3. Die in Frankreich vorgesehene Möglichkeit der Anwendung von Strafen des Erwachsenenstrafrechts auf sechzehn bis achtzehn Jahre alte Jugendliche ist für das deutsche JGG nicht zu befürworten.
4. Als Rechtsfolge der Jugendordnungswidrigkeit sind die Erziehungsmaßnahmen des JGG ähnlich der französischen Regelung.
5. Die französische Erziehungsmaßnahme der Übergabe des Minderjährigen an eine Person ist für das deutsche JGG nicht zu befürworten.
6. Die gemeinnützige Arbeit ist wie in Frankreich nur mit Einwilligung des Jugendlichen oder Heranwachsenden zulässig. Der deutsche Gesetzgeber sollte innerhalb des JGG eine Mindest- und Höchstdauer der Arbeitsweisung angeben.
7. Die Bemessung der Jugendstrafe nach Erziehungsgesichtspunkten ist abzulehnen. Der Grundsatz der limitierenden Funktion von Tatschuld und Tatschwere sollte stärker aktiviert werden.
8. Die Anwendung der Jugendstrafe sollte auf schwere Straftaten begrenzt werden.
9. Die Strafaussetzung zur Bewährung sollte wie in Frankreich auch für Jugendstrafen über zwei Jahren zugelassen werden.